Indien 2008

8. August 2008:

Heute ist es schön warm in München und wir beeilen uns sehr mit unseren 55 kg Gepäck die Treppen hoch zu hetzen um die bereits wartende S-Bahn noch zu erwischen. Jetzt läuft uns aber der Schweiß in Strömen! Wir haben fünf Gepäckstücke dabei: einen Koffer, drei Reisetaschen und eine große Fototasche. Klar, die ganze Motorradausrüstung mit Helm, Kleidung, Stiefel, Handschuhe und Regenzeug brauchen viel Platz. Dazu noch eine Tüte mit Fressalien. Im Himalaja ist das Essen ja manchmal nicht so gut und dann ziehen wir eben Fitnessriegel oder Trockenobst aus der Tasche. Ein Regenschirm ist auch dabei, falls uns der Monsun nieder schüttet. Wir haben das Gepäck zuhause mehrmals gewogen und umgepackt. Am Flughafen angekommen versuchen wir am Lufthansa Automaten einzuchecken. Leider erhalten wir keine Sitzplatzkarte, sondern nur *** als Sitzplatz. Dem Automaten gelingt es nicht die Indienvisa einzulesen. Also müssen wir uns doch am Schalter anstellen um die Sache zu klären. Dort treffen wir auf die freundliche Frau Schweizer, die versucht uns einen Fensterplatz zu reservieren. Nach der Aufgabe unseres Gepäcks sitzen wir draußen noch ein wenig rum. Es ist eine Tribüne aufgebaut. Abwechselnd können wir einem Beachvolleyball Turnier oder der Eröffnungsfeier der 29. Olympischen Spiele in Peking folgen. Steffi wird es etwas flau im Magen und deshalb kaufen wir zwei Underberg für sie. Da Flüssigkeiten nicht erlaubt sind, gluckert Steffi die beiden vor dem Sicherheitscheck aus. Nebenbei telefoniert sie noch kurz mit Micha und tritt leicht beschwipst durch die Zollkontrolle. Um 19 Uhr 20 warten wir am Gate H44 auf unseren Flieger, er soll planmäßig starten. Tatsächlich hat die gute Frau Schweizer es geschafft und wir bekommen einen Fensterplatz. Das Flugzeug ist voll. Inder mit Turban und auch sehr bunt gekleidete Frauen sind natürlich auch an Bord. Um 20 Uhr 30 geht’s los. Nach einer Stunde gibt’s ein Abendessen um die Flugpassagiere in den Schlaf zu bringen. Werner nimmt zwei Gläser Rotwein und eine Schlaftablette, so gelingt es ihm einzuschlafen. Steffi schläft leider so gut wie gar nicht.

9. August 2008:
Um 2 Uhr Morgens geht das Licht im Flieger an und es wird ein spartanisches Frühstück ohne Café serviert. In Indien ist es dann ja bereits 6 Uhr. Die Flugzeit beträgt nur 6 ¾ Stunden. Pünktlich setzt die Maschine in New Delhi auf. Es hat um 7 Uhr Früh bereits 28 Grad und es ist dunstig. Wir sind froh, dass es nicht regnet. Die hohe Luftfeuchtigkeit erschlägt uns schier. Sofort fangen wir an zu schwitzen. Nach Gepäckabholung und Geldwechsel suchen wir den Ausgang. Natürlich sind wir enttäuscht als uns kein Fahrer erwartet. Wir stehen ein wenig blöd rum, kontrollieren einige Male die Heinis, die hier mit Schildern in der Hand herum stehen um Touris abzuholen. Doch keines der Schilder trägt unsere Namen. Werner erinnert sich nach einer Viertelstunde, dass vor sechs Jahren, als er das letzte Mal hier war, der Ausgang irgendwie anders aussah. Wir gehen noch mal in die große Halle zurück und, siehe da, es gibt noch einen anderen Ausgang auf der rechten Seite. Dort steht auch schon verschwitzt unser Fahrer und freut sich, dass er uns nun zum Hotel kurven darf. Kaum verlassen wir die Halle sind vier Jungs zur Stelle, die sofort versuchen unser Gepäck 40 cm hoch in den Jeep zu hieven. Natürlich wird uns zeitgleich die Hand entgegengestreckt um für diesen „Dienst“ Geld zu kassieren. Wir schauen vornehm zur Seite und der Fahrer fährt los. Der Flughafen wird erweitert und jetzt um 8 Uhr kommen ganze Heerscharen von Bauarbeitern zur Baustelle. Jeder Bauarbeiter hat sein Essensdöschen dabei. Neben dem Flughafen werden riesige Gebäude hochgezogen. Alles Handarbeit, fast keine Maschinen und die Gerüste aus zusammen gebundenem Bambus. Es geht rein in die Stadt. Bald sehen wir auch die erste, heilige Kuh gelangweilt im Verkehr mitten auf der Straße sitzen. Der Verkehr wird immer dichter, das Gehupe immer mehr. Die ersten Fahrradrikschas tauchen auf. Jetzt um 8 Uhr ist es schon ziemlich heiß hier. Die hohe Luftfeuchtigkeit treibt uns schon den Schweiß auf die Haut. Unser Hotel „Grand Central“ liegt mitten im alten Stadtviertel Karol Bagh in New Delhi. Wir bekommen ein schönes Zimmerchen am Eck und packen erstmal ein wenig unser Gepäck um. Danach gehen wir vor bis zum nächsten Eck und suchen uns eine dreirädrige Motorrikscha mit der wir weiter ins Zentrum hinein fahren möchten. Sogleich sitzt ein selbsternannter Touristguide  beim Fahrer auf dem Beifahrersitz: „Hello Mister, where do you come from?“. Wir ahnen was er möchte: Er will uns heute als Fremdenführer begleiten auf unserer Delhitour. Davon sind wir natürlich wenig angetan, lassen ihn aber erstmal quatschen. Wir fahren los, der Typ fährt mit. Wir geben ihm schnell zu verstehen, dass wir ihn nicht bezahlen werden. Nach ein paar hundert Metern steigt er aus.

 

Für uns geht’s weiter, ein paar Kilometer, zum Roten Fort. Der Verkehr ist chaotisch, alles hupt, rast unaufhaltsam, drängt sich rein, überholt links und rechts, die Straßen sind vollgestopft und laut, es liegt Müll und Dreck rum, es stinkt gotterbärmlich, es gibt riesige Pfützen vom Monsun. Steffi ist total entsetzt, Werner grinst – er war ja schon mal hier. Delhi bedeutet Hitze, Abgase, dreckige und überfüllte Straßen. Die Armada aus schrottreifen Bussen und Dreiradtaxis kämpft sich Stoßstange an Stoßstange, Meter für Meter durch das automobile Dickicht der 15 Millionen Metropole. Sobald es geht wird in hoher Geschwindigkeit unaufhaltsam gerast. An roten Ampeln halten wir an. Jeder versucht sich vorzudrängeln, so gut es ihm gelingt. Ohne Fahrtwind rinnt uns der Schweiß in Strömen. Das Rote Fort ist leider geschlossen, da am 15. August Nationaler Unabhängigkeitstag in Indien ist. Es sind nur 10 Minuten zu Fuß zur Jama Masjid. Wir schaffen es eine 6 spurige Straße zu überqueren, laufen an einem Hindutempel vorbei und auch an einer öffentlichen Toilette. Schnell, schnell, denn es stinkt zum Himmel. Wir gehen zu einem Eingangstor der Jama Masjid. Auf dem Weg dorthin sitzen bereits die ersten Bettler. Einer schreit immer „Allah-Allah-Allah“, er hat keine Arme und keine Beine mehr. Allerhand Moslems kommen uns entgegen und starren uns an weil wir doch etwas anders aussehen als die meisten hier. Vor der Moschee gibt es einen kleinen Teich, der total verdreckt ist. Dahinter ist ein Zeltlager mit Stoffzelten inmitten von Müll und Unrat. Mittendrin schlafen Menschen. Wir steigen die Treppe zur Jama Masjid hoch. Die Jama Masjid, auch Freitagsmoschee, ist die größte Moschee Indiens und eine der größten der Erde. Der Bau erfolgte zwischen 1650 und 1656. Über 5.000 Handwerker waren daran beteiligt. Die Jama Masjid erhebt sich an der Westseite eines ummauerten Hofes, der über von drei Seiten aufsteigende Freitreppen und drei doppelstöckige Torbauten zugänglich ist. Das östliche und größte Tor war früher dem Mogulkaiser vorbehalten. Auf dem über 90 Meter langen Hof finden mehr als 20.000 Gläubige Platz.

Jama Masjid

Jedes der beiden Minarette krönt ein zwölfseitiger, offener Pavillon. Drei weiße, mit senkrechten schwarzen Streifen versehene Zwiebelkuppeln, deren mittlere die größte ist, schließen die Moschee ab. Für den Bau wurde im Wesentlichen roter Sandstein verwendet. Die Fassade ist zum Teil mit weißem Marmor verkleidet, in den persische Inschriften eingelassen sind. Auch die Kuppeln bestehen aus weißem Marmor, die Streifen aus schwarzem Marmor. Die von 260 Säulen gesäumte Gebetshalle ist nach Mekka im Westen ausgerichtet. Am Eingangstor müssen wir unsere Schuhe ausziehen. Nach Betreten des großen Innenhofes der Jama Masjid kommen uns schon die ersten Guides entgegen: „Hello Mister, hello my friend!“. Es ist wirklich immer wieder bemerkenswert wie viele Freunde wir doch weltweit haben… Wir wimmeln sie ab. Im Innenhof sind gerade mehrere Moslems am Beten, in der Mitte der Mosche gibt es Wasserbecken in dem sich die Männer Gesicht, Hände und Füße waschen. Viele Tauben sammeln sich im offenen Innenhof, da einige Menschen Brotkrumen hingeworfen haben. Es ist sehr heiß, uns läuft das Wasser nur so herunter. Es ist dunstig. Sicher trägt auch der Smog der Stadt dazu bei. Wir setzen uns auf eine Steinmauer und betrachten ein wenig das Treiben in der Moschee. Nach insgesamt einer Stunde verlassen wir die Jama Masjid wieder. Nun wollen wir ein wenig die umliegenden Sträßchen erkundigen. Gleich an der äußeren Mauer der Jama Masjid sehen wir einige Menschen die nur ein paar Fetzen anhaben. Sie leben hier an der Mauer in kleinen Verschlägen, zwischen Pfützen und Müll. Sie starren uns an, wir glotzen zurück. Auf dem Weg zur nächsten größeren Straße überquert ein Mann ohne Beine die Gasse. Er hat nur noch Beinstümpfe dran und nicht mal ein kleines Wägelchen auf dem er rollen könnte. Die nächste Querstraße empfängt uns mit chaotischem, lautem Verkehr. Tausende Menschen, Autos, Rikschas und Karren machen es unmöglich hier drüber zu kommen. Wir gelangen zurück ans rote Fort und versuchen eine andere Motorrikscha zu bekommen die uns zum India Gate zum Qutab Minar und schließlich zum Hotel bringt. Wir erwischen einen Fahrer, der das für 500 Rupien machen wird (etwa 7,50 Euro). Wir denken diese Tour wird ungefähr drei Stunden dauern. Sofort geht’s los. Der Bursche fährt recht flott. Zum Vordermann ist meist nicht mehr als 10 cm Abstand. Er drängelt sich rein, hupt wie verrückt, schimpft ab und zu aber er bringt uns sicher von A nach B. Am India Gate  latschen wir 20 Minuten ums Gate herum. Das India Gate ist ein 42 Meter hoher Triumphbogen in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Es wurde 1921 nach dem Vorbild des Arc de Triomphe in Paris entworfen. Das Monument erinnert an die 90.000 indischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg für das Britische Empire ihr Leben ließen. Eingraviert sind die Namen von 3.000 indischen und britischen Soldaten, die an der Nordwestgrenze und 1919 im Krieg in Afghanistan starben. Es hat mehr als 35 Grad und so sind wir froh den Fahrtwind auf dem langen Weg zum Qutab Minar genießen zu können. Nach einer guten Stunde sind wir am Spätnachmittag da. Die Eintrittskarten sind mit 250 Rupien pro Person ziemlich teuer. Aber nur für Touristen – wären wir Inder so müssten wir nur 10 Rupien pro Person bezahlen. Am Eingangstor drücken wir für die Kameras noch mal 25 Rupien Gebühren ab.

Der Turm des Qutab Minar wird als vollkommenster Turm der Welt bezeichnet. Alle Bauten auf dem Gelände stammen aus der Anfangszeit der moslemischen Herrschaft über Indien. Erbaut wurden sie auf den Trümmern einer im 8. Jahrhundert gegründeten und im 12. Jahrhundert erweiterten Festung. Der Qutab Minar selbst ist eine erhabene, riesige Siegessäule. Mit dem Bau wurde sofort nach Unterwerfung des letzten Hindu-Königreiches von Delhi im Jahr 1193 begonnen. Der reich verzierte Turm ragt 72,5 Meter empor. Er verjüngt sich von 14,3 Metern Durchmesser am unteren Ende auf nur 2,7 Meter an seiner Spitze. Mittlerweile steht er auch etwas schief, hat aber all die Jahrhunderte gut überstanden. Früher konnte man über enge Stufen hoch hinaus bis in die Spitze klettern. Leider gab es einen schlimmen Unfall, als Schulkinder in dem dunklen Aufgang "Geist" spielten und so eine Panik unter den anderen auslösten, die sich gerade auf der Treppe befanden. Es gab mehrere Tote und seitdem bleibt der Turm für die Öffentlichkeit gesperrt. Die fünf Stockwerke des Turms sind klar erkennbar durch vorspringende Balkone. Die drei ursprünglichen Stockwerke wurden verschieden angelegt. Das unterste mit abwechselnd eckigen und runden Stäben, das zweite nur mit runden, das dritte nur mit eckigen. Den Stein verzieren Schriftbänder mit Koranversen. Der vierte und fünfte Stock besteht aus Marmor und Sandstein. Der Turm ist heute, zusammen mit den umliegenden Gebäuden, in der UNESCO World Heritage Site aufgenommen. Außer dem Turm gibt es auf dem Gelände noch andere interessante Dinge zu erkunden. Interessant ist der Stumpf aus Ziegeln, der gegenüber vom Qutab Minar auf einer Rasenfläche steht. Juna Khan begann den Bau des Alai Minar, nach seinen ehrgeizigen Plänen sollten der zweite Turm zweimal höher werden als der Qutab Minar. Aber nach der Fertigstellung des ersten Stockwerks, nach 24,5 Metern Höhe, starb der Auftraggeber und das Projekt wurde nicht weiter verfolgt. Die Reste sind heute noch zu sehen. Die Quwwat-ul-Islam Moschee wurde von Qutb-ud-din Aybak erbaut, dem ersten Sultan von Delhi. Der Bau begann im Jahr 1190 und man sagt, zu ihrem Bau wurden Teile von zerstörten Hindu- und Jaintempeln verwendet. Heute ist die Moschee leider nur noch eine Ruine, aber man sieht noch stehende Bögen mit reichen Verzierungen. Es gibt zahlreiche florale Ornamente und geometrische Reliefs. In den Löchern und Ritzen der Ruine haben sich Halsbandsittiche niedergelassen und ihr heiseres Krächzen macht auf die Nester im alten Gemäuer aufmerksam. Neben dem Qutab Minar gibt es ein weiteres Weltwunder auf dem Gelände zu bestaunen, wenn es auch bei weitem nicht so auffällig ist. Es handelt sich um den Iron Pillar, eine 2.000 Jahre alte Eisensäule aus purem, angeblich nicht rostendem Eisen. Die Säule hat eine Länge von 7,3 Meter, wovon sich ein Meter unter der Erde befindet, und wiegt mehr als 6 Tonnen. Bis um 1900 galt sie als größtes und schwerstes Schmiedestück auf der ganzen Welt. Auf der Spitze der Säule befindet sich ein Garuda-Vogel. Der Pfosten trägt eine Inschrift, die besagt, dass die Säule als Fahnenmast zu Ehren des hinduistischen Gottes Vishnu und zum Gedenken an Kaiser Candra Gupta II (375-413 n.Chr.) errichtet wurde. 99,71% der Säule bestehen aus Schmiedeeisen. Experten haben bestätigt, dass die Temperaturen, die erforderlich sind, um solch einen Pfosten herzustellen, nicht durch Verbrennung von Holzkohle erzielt werden können.

 

So ist die Säule ein Beweis der weit entwickelten Fähigkeiten der indischen Schmiede um diese Zeit. Der hohe Entwicklungsstand der Stahlherstellung ist aber offensichtlich in den nachfolgenden Jahrhunderten wieder völlig in Vergessenheit geraten. Archäologen und Metallspezialisten rätseln, wie das Material dem feuchtheißen Klima Indiens während der Monsunzeit trotzt und die letzten 1.600 Jahre ohne Korrosion überstanden hat. Im Gelände bewundern wir viele Bäume die teilweise wunderschön blühen. Nachdem wir das Gelände verlassen haben, meint unser Fahrer er hätte nun schon so viel Zeit für uns aufgebracht und 500 Rupien wären wohl doch zu wenig. Wir sagen er solle losfahren, wir würden uns schon einig werden. In chaotischem Galopp geht es auf  breiten Umgehungsstraßen zurück zum Hotel. Er fährt wie ein Irrer. Einmal muss er so stark bremsen, dass es uns die Wasserflasche vom Rücksitz haut. Kurz vor dem Hotel gibt es noch einen Megastau. Circa 5 Minuten geht es weder vor noch zurück. Alle fahren in die Kreuzung rein, keiner kommt mehr raus, alles hupt, alles drängelt, alles schimpft. Die Luft steht, wir schwitzen. Als es irgendwann mal weiter geht, fragt unser Fahrer nach der Straße in der sich unser Hotel befindet. Wir haben zum Glück vom Hotel eine Visitenkarte, die wir unserem Fahrer zeigen können. Schnell findet sich jemand, der sagt unser Hotel sei nur 100 m von hier weg. Am Hotel angekommen geben wir ihm 600 Rupien, er freut sich. Jetzt freuen wir uns auf eine Dusche! Danach richten wir unser Gepäck zusammen. Es soll um 19 Uhr abgeholt werden. Nachdem es aber bis 19 Uhr 20 immer noch niemand abgeholt hat, tragen wir es selbst ins Foyer. Dort sitzt bereits der erste Mitreisende unserer Motorradtour. Er heißt Rick und kommt aus Colorado – USA. Bald taucht auch Max auf, unser Tourguide. Auch zwei Japaner finden sich ein, der eine ist bereits 73 Jahre. Wir gehen gemeinsam in das Restaurant Crossroads, etwa 100m vom Hotel. Das Restaurant ist gut besucht und die eiskalte Klimaanlage bläst uns ins Genick. Der Kellner stellt die Klimaanlage so ein, dass sie uns wenigstens nicht mehr direkt anbläst. Nachdem wir unser Bier bestellt haben trifft der indische Chefmechaniker, Arun, ein und isst mit uns zu Abend. Es gibt Naanbrot und diverse Schüsselchen mit indischen Leckereien. Wir beschließen das Essen mit indischem Chai. Hier das Rezept dazu:

 
Man nehme:
1 Tl Anis, 2 Nelken
1 El Fenchelsamen
1/2 Tl fein gehackter Ingwer
4 El Schwarztee
6 Tassen Wasser
4 Tassen Milch
6 grüne ganze Kardamonsamen
1 Tl Zimt

So wird’s gemacht:
Wasser in einem Topf zum Kochen bringen. Anis, Nelken, Fenchel, Zimt und Ingwer hinzufügen und 10 min kochen. Milch dazu geben und nochmals kurz aufkochen. Schwarztee dazugeben und 3 Minuten ziehen lassen. Tipp: Mit etwas Honig abschmecken.

Kurz nach 21 Uhr verlassen wir das Restaurant. Alle sind satt und müde und jeder hat auf seine Weise mit dem Jetlag und der Hitze zu kämpfen. Jetzt nur noch schlafen. Um 2 Uhr 30 klingelt unerwartet das Telefon. Ein Weckruf, den wir gar nicht bestellt haben, toll. Unser Weckruf soll um 5 Uhr 30 sein. Wir schlafen wieder ein. Um 5 Uhr 45 bellt uns ein Hund wach. Weckruf gab’s um 5 Uhr 30 keinen mehr – klar wir hatten unseren ja schon um 2 Uhr 30 ;-)

10. August 2008:
Jetzt aber schnell raus. Nach Katzenwäsche treffen wir die anderen Tourteilnehmer im Frühstücksraum des Hotels. Hanjörg aus Deutschland, ein etwa 30 jähriger Anwalt – er quasselt gleich alle tot. Martin, gleiches Alter, ganz sympathisch. Noch ein Pärchen, aus Österreich: Heinz und Christine, beide etwas älter als wir. Und noch zwei Deutsche, Nico und Holm – beide ziemlich stumm. Mit drei Autos fahren wir zu einem der großen Bahnhöfe von Neu Delhi. Es ist 7 Uhr in der Früh und auf dem Gehweg vor dem Bahnhof, sowie auf dem Bahnsteig, schlafen Menschen mitten im Dreck. Hier auf dem Bahnhof ist 24 Stunden Tohuwabohu. Am Bahnsteig hängt ein Schild „No spitting“, also nicht spucken. Es gibt getrennte Warteräume für Männer und Frauen. Nach der halben Stunde Wartezeit rinnt uns bereits wieder der Schweiß von der Haut. Unser Zug rollt ein – eine gewaltige Diesellokomotive mit vielen, vielen Wagonen. Wir steigen in die 1. Klasse. Die Klimaanlage hier hat das Abteil auf 12 Grad herunter gekühlt. Wir haben nur Handgepäck dabei und natürlich bei der Hitze nicht an einen warmen Pullover gedacht. Max weist uns die gebuchten Sitzplätze zu. Dabei muss er auf höfliche Weise eine dicke Inderin wegscheuchen, die sich gleich den Fensterplatz unter den Nagel gerissen hat. Es geht zum Glück in Fahrtrichtung aus Neu Delhi heraus. Der Zug rollt vorbei an Slums, Müll und Wellblechhütten. Es dauert ewig bis wir die riesige Stadt ganz verlassen haben. Dann wird es endlich grün. Wir sehen Reisfelder, badende Wasserbüffel und hart arbeitende Eselchen. Im Zug serviert man uns ein Frühstück bestehend aus Tee, Marmelade, Toast und einem Omelett mit Erbsen. Steffi inspiziert die Toilette. Am Anfang ist sie noch ganz passabel. Der Zug fährt jetzt mit etwa 100 km/h durch grüne Landschaft. Zwischendrin gibt es noch mal etwas zu essen. Wir haben ungefähr 250 km zu fahren. Ab und zu hält der Zug an irgendwelchen Nestern an. Nach einigen Stunden treffen wir in Kalka ein. Kalka ist ein Ort mit etwa 35.000 Einwohnern im indischen Bundesstaat Haryana. Er liegt am National Highway 22 zwischen Chandigarh und Shimla auf einer Höhe von 625 Metern und ist Ausgangspunkt unserer Motorradtour in die Berge des Himalaja.

 

Wir steigen aus dem Zug und treten gegen die Hitzewand. Gleich kommen Kinder penetrant bettelnd auf uns zu. Max organisiert ein paar Fahrzeuge die uns zum Hotel bringen sollen. Er mietet ein Fahrzeug zu wenig, wir sitzen mit unserem Gepäck wie die Ölsardinen in der Dose. Zum Glück ist es nicht weit. Im Hotel Windsmoor gibt es einen Begrüßungscocktail, alle bekommen einen Blumenkranz um den Hals. Das Hotel verfügt über einen Pool auf dem Dach. Werner und ein paar andere aus der Gruppe müssen da jetzt gleich rein. Steffi zieht es vor die Zeit für eine Haarwäsche zu nutzen. Um 14 Uhr soll es los gehen. Die Motorräder, die im Hof des Hotels bereit stehen, sollen ausprobiert werden. Um 14 Uhr stapfen alle nach unten. Da geht aber noch gar nichts. 4 Mechaniker schrauben an den Kisten rum. Also überbrücken wir 1 ½ Stunden beim Mittagessen. Nach langem hin und her sind die Motorräder fertig. Max zeigt uns wie die Dinger funktionieren. Ziemlich kompliziert fürs erste: Die Schaltung ist nicht rechts, sondern links. Dafür ist die Hinterradbremse nicht rechts sondern links. Der Hebel um die Gänge zu wählen ist auf der anderen Seite und der erste Gang geht nicht nach unten rein, sondern nach oben. Das Motorrad hat nicht 5 Gänge, sondern 4 und die Gänge 2 bis 4 gehen nicht nach oben rein sondern nach unten. Insgesamt wird dies erstmal zu einer chaotischen Fahrweise führen und ist nicht so ganz ungefährlich. Ein routinierter Motorradfahrer ist bei uns gewohnt in Extremsituationen auf den rechten Fußhebel zu tapsen um eine Vollbremsung hinzulegen. Hier führt die gleiche Reaktion dazu einen Gang hoch zu schalten. Das ganze multipliziert mit Linksverkehr - wird bestimmt lustig! Darüber hinaus sind die indischen Straßen gespickt mit Schlaglöchern, Tieren und Menschen, die blind über die Straßen laufen. Die einzige Verkehrsregel lautet: Es gibt keine Verkehrsregeln. Die Motorräder müssen per Kickstarter zum Laufen gebracht werden. Wir drehen ein paar Runden im Hof und versuchen auch eine Vollbremsung. Nach 1 ½ Stunden Üben im Hof wird es Zeit sich auf die etwa 15 km lange Strecke die Berge hinauf zu machen. Wir tuckern zu einer Tankstelle in Kalka und tanken voll. Es ist wirklich chaotisch. Es liegt jede Menge Sand auf der Straße, es gibt riesengroße Schlaglöcher, Affen hüpfen über die Straße, Kühe und Menschen laufen über die Straße.

Nach 15 km machen wir eine Pause an einem Wellblech-Café. Jetzt freuen sich alle auf eine Cola. 30 Minuten später geht es den gleichen Weg zurück zum Hotel. Es geht schon ein wenig besser, aber jeder Fahrer konzentriert sich sehr auf Schal- tung und Bremse. Nachdem alle heil zurück sind gibt’s eine Dusche. Um 19 Uhr treffen wir uns auf der Dachterrasse neben dem Pool auf ein Bierchen. Um 20 Uhr setzen wir uns an den großen Tisch zum Abendessen. Die Speisekarte ist nur auf „Indisch“, so dass keiner genau weiß, was er denn nun bestellen soll. Max, unser Führer, ist auch keine große Hilfe, da er kaum noch Lust zu sprechen hat. Er hat in Delhi in seinem Hotelzimmer die Klimaanlage aufgedreht und ist darunter eingeschlafen. Jetzt kränkelt er dementsprechend verschnupft, mit Husten und Fieber. Nach fast 1 ½ Stunden werden uns die Köstlichkeiten serviert. Wir haben großes Glück, die Küche ist ausgezeichnet, jeder ist hoch zufrieden. Nach einem Strong-Beer (mit 8,25%) torkeln wir ins Bett und schlafen friedlich unter dem Ventilator ein.

11. August 2008:
Erst um 8 Uhr 30 ertönt heute der allgemeine Weckruf. Wir wursteln bereits seit 8 Uhr herum, dank Handywecker. Um 9 Uhr gibt es Frühstück und geplante Abfahrt ist 10 Uhr. Englisches Frühstück mit Chai soll uns in den Tag helfen. Kurz vor 10 Uhr schleifen wir unser Gepäck (mit Lift) in das Foyer. Alle haben ihre Motorradklamotten an und wollen endlich los. Max palavert mit den Mechanikern, die an jedem Motorrad noch etwas zum Schrauben finden. Werner sucht sich noch ein ganz anderes Motorrad raus als das gestrige, da dies nicht so ganz das Wahre ist. Jetzt haben wir eines mit einem nagelneuen Hinterreifen, auch die Kupplung scheint etwas besser zu sein. Dieses Motorrad springt etwas leichter an und das aller, aller wichtigste Utensil in Indien, die Hupe, ist schön laut. Schließlich sind die Motorräder um 11 Uhr fertig, jetzt fehlt nur noch Max. Um 11 Uhr 15 taucht auch unser geschäftiger Führer, Max, auf. Na dann kann’s ja losgehen. Jetzt ist es natürlich brütend heiß. Wir ziehen die Helme auf und jedem läuft der Schweiß herunter. Mukesch, der Chefmechaniker, fährt voraus. Keiner darf ihn überholen. Zwei Versorgungsfahrzeuge mit Kanistern, Ersatzteilen und sonstigem fahren als Abschluss. Sollte jemand hängen bleiben, wird er auf alle Fälle vom letzten Fahrzeug eingesammelt. Es geht zügig los. Wir fahren die 15 km von gestern noch mal und dann immer weiter in den Himalaja rein. Die grüne Landschaft ist schön anzuschauen, die Häuser liegen malerisch an den Hängen. Wir fahren immer höher. Nach annähernd 40 km machen wir die erste Rast. Jeder trinkt was und wie viel er mag. Das Angebot ist lediglich beschränkt durch den Kühlschrankinhalt des Wellblech-Cafés. Das Café wird von einem alten Mann betrieben. Er muss nebenbei noch auf ein 2 jähriges Kind aufpassen. Neben den Stühlen liegt ein Hund, dessen Vorderpfoten gebrochen sind. Werner unterhält sich ein wenig mit Rick, dem Ami aus Colorado. Er ist ein gemütlicher, dicklicher Typ mit Bart. Er erzählt, dass er letztes Jahr eine 8 stündige Operation hatte, die ihn 30.000 Dollar gekostet hat. Er hatte einen Tumor im Hirn. Sie haben seine Schädelplatte geöffnet und den Tumor entfernt. Am letzten Abend vor seiner Operation hat er noch eine Party organisiert und sich mehr oder weniger von seinen Freunden verabschiedet, da er nicht wusste, ob er sie nach der Operation wiedererkennt. Zum Glück ging alles gut und bereits nach 2 Tagen hat man ihn nach Hause geschickt.

 

Nachdem wir den gesamten Kühlschrankinhalt leer getrunken haben, steigen wir auf die Motorräder. Wir fahren im Nebel. Max muss einem Lkw ausweichen und landet dabei im Straßengraben, aber ohne verletzt zu werden. Sein Kupplungshebel ist etwas verbogen. Wir warten bis Mukesch die Sache gerade gebogen hat. Nun fängt es an zu regnen. Werner holt die Regenklamotten aus der Motorrad Satteltasche. Der Regen wird stärker, es blitzt, donnert und schüttet. Wir sind in der Region in der sich der Monsun mit voller Heftigkeit abregnet. Dies ist zugleich die einzige Jahreszeit, in der man sich nach Ladakh hoch wagen kann. Nur zwischen Juni und August sind die Straßen dort oben frei von Eis und Schnee. In Regenklamotten geht es weiter. Sintflutartig schüttet es aus allen Eimern, Bäche laufen über die Straße, Busse und Lastwägen, die uns entgegen kommen spritzen uns von oben bis unten voll. Da wir den Asphalt unter dem Wasser nicht mehr sehen, landen wir ab und zu in tiefen Furchen oder Schlaglöchern. Es ist ein wilder Ritt. Wir haben noch 10 km bis Shimla. Einige Kilometer vor Shimla warten wir vor einem Tunnel bis die ganze Gruppe zusammen ist. Hinter dem Tunnel ist es nicht mehr weit zum Hotel. Wir parken unsere Motorräder vor dem Hotel. Es gibt nicht allzu viel Platz. Das Hotel liegt am Hang und wir müssen steile Treppen hoch um zum Eingang zu kommen. Das Foyer wurde vorhin frisch gewischt und jetzt sauen wir alles ein, triefnass auf den Schlüssel wartend. Da dürfen sie nach uns gleich noch mal wischen. Wir haben ein Zimmer im ersten Stock – komisch um dort hin zu kommen müssen wir vier Stockwerke hoch laufen. Wir warten patschnass auf das Gepäck. Die Handschuhe und Schuhe triefen und Werner ist, dank der Lkws, nass bis auf die Unterhose. Mit dem Föhn versuchen wir eine Stunde lang Handschuhe, Schuhe, Hosen und Jacken zu trocknen. Unser Zimmer ist ziemlich klein und bald entsteht hier eine Stimmung wie im Waschhaus. Die Fensterscheiben sind angelaufen. Draußen schüttet es immer noch, innen hängen unsere nassen Klamotten zum Trocknen. Jetzt ist es Nachmittag und wir beschließen runter in den Speiseraum zu gehen und uns bei einem Chai und Käse-Pokara (fingerdicke, panierte Käsescheiben, gewürzt mit Rosmarin) aufzuwärmen. Jetzt wollen wir aber endlich etwas von Shimla sehen.

 

Raus aus dem Hotel und gleich einen steilen Weg hoch, schnauf –schnauf. Da kommt uns auch schon Max, mit seinen Glupschaugen, entgegen. Er erklärt uns, dass die Shopping-Mall ganz einfach zu finden sei, wir müssen immer nur gerade aus gehen. Gleichzeitig fragt er uns dreimal, ob wir auch wirklich wieder zurück finden würden. Dazu muss man wissen, dass das Hotel an einem Hang liegt, ungefähr 8 Stockwerke hoch ist und breit ist wie ein Flughafenhangar. Wir stapfen also los, immer schön geradeaus. So watscheln wir also ewig dahin, kommen an ein paar Affen vorbei, die auf den Bäumen miteinander streiten. Da uns ab und an ein paar Leute begegnen glauben wir, dass dieser Weg richtig ist. Nach fast 1 ½ km gelangen wir an eine kleine Kreuzung. Leider steht hier überhaupt nichts von Shopping-Mall. Wir gehen gerade aus weiter. Am Hotel Oberoi kommt uns die Sache langsam komisch vor. Wir fragen jemanden und er deutet genau in die Richtung aus der wir kommen. Zurück an der kleinen Kreuzung fragen wir abermals und auch er deutet genau in die Richtung aus der wir ursprünglich kamen. Also watscheln wir fröhlich ein Liedchen pfeifend die 1 ½ km wieder zurück. Unser dämlicher Führer Max hat uns den falschen Weg gewiesen. Fast an der Stelle an der wir Max getroffen haben, hätten wir stark links eine serpentinenartige Kurve nach oben müssen und von dort noch 10 Minuten Fußweg sehen wir schon die Shopping-Mall. Hier kommen uns die beiden Österreicher unserer Motorradgruppe mit prall gefüllten Plastiktüten entgegen. Sie haben sich mit saubilligen Jeans eingedeckt. Eine Jeans für 7,50 Euro (natürlich original Wrangler ;-)  Wir marschieren noch ein kleines Stück und sind jetzt endlich in der Stadtmitte von Shimla. Shimla ist die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Himachal Pradesh in 2.200 m Höhe. Die im Süden des mittleren Himalajas gelegene Stadt zählt etwa 145.000 Einwohner. Der Name wurde nach der Hindu-Göttin Shyamala Devi, einer Reinkarnation der im Hinduismus verehrten Göttin Kali benannt. Der Ort gehörte früher zum nepalesischen Königreich und hieß Shyamala. Er wurde 1819 von den Briten "entdeckt". Von 1834 bis 1939 zog die gesamte Regierung Britisch-Indiens in den Sommermonaten in die kühle Höhe Shimlas. Traditionell blieb es während der britischen Kolonialzeit dem Vizekönig von Indien, dem britischen Oberbefehlshaber der Indischen Armee und dem Gouverneur des Panjab vorbehalten, in Shimla eine Kutsche, später ein Auto zu benutzen, während die übrige Kolonialgesellschaft Rikschas für den Personentransport und Ochsenkarren für den Gütertransport benutzte. Mit ihnen wurden die Luxusgüter für die Kolonialgesellschaft zu den legendären Banketten geschafft, um vornehme Bälle im Stil viktorianischer Gesellschaft zu feiern.

Die Hauptfußgängerzone „The Mall“ liegt auf dem Grat und bietet eine gute Aussicht auf Stadt und den Himalaja. Bis zum Ersten Weltkrieg war The Mall für Inder verbotenes Terrain. Hier befanden sich Banken, Teesalons und Geschäfte der britischen Kolonialgesellschaft. The Mall war raffinierte, subtile Bestätigung der rassischen Überlegenheitsgefühle britischer Herrschaft über "wimmelnde, braune Massen" in den heißen, staubigen Ebenen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es auch Indern erlaubt, The Mall zu betreten, vorausgesetzt, sie trugen keine indische Kleidung. Die Architektur Shimlas ist von Gebäuden im britischen Stil des 19. Jahrhunderts geprägt. Darin befindet sich heutzutage ein Jeansgeschäft, eine Café-Bar, ein Handyladen neben dem anderen. Steffi ersteht für 1,50 Euro ein paar schöne Badeschlappen. Am Ende der Shopping-Mall angekommen haben wir einen schönen Blick über die Stadt. Wir steigen noch eine steile Treppe hoch zu einer viktorianischen Kirche. Vor der Kirche liegt ein großer Platz auf dem man mit Pferden reiten oder die Statue von Indira Gandhi bewundern kann. Auch ein Fernsehteam macht gerade hier oben Aufnahmen. Die Sonne geht malerisch unter, die Grillen zirpen laut und wir beschließen ins Hotel zurück zu laufen, das wir sogar im Dunkeln wieder finden. Im Restaurant sitzt die Motorradgruppe fröhlich zusammen. Sie warten auf das Essen, das ab 20 Uhr bestellt werden kann. Es ist 19 Uhr 45, wir kommen also genau richtig. Heute gibt es eine große, gemeinsame Bestellung. Hanjörg bestellt diktatorisch für alle. Keiner weiß so recht was da jetzt kommt. Es kommen 12 verschiedene große Teller von denen sich jeder etwas nimmt. Steffi ist damit nicht so glücklich, weil auf jedem Teller irgendwie Fleisch ist und sie sich vorgenommen hat in Indien lieber vegetarisch zu essen. Sie isst also viel Brot (gefüllt mit Ananas und Käse) und pickt sich von den Teller die Beilagen herunter: Spinat, Krautsalat, Käse und Tofu. Dazu gibt es separat auch eine Soße die nach Domestos schmeckt. Es wird viel gelacht und gekichert. Martin spielt heute Abend den Alleinunterhalter und versucht den Kaspar rauszuhängen. Am Ende des Abends kitzeln wir mit Müh und Not aus Max heraus wann wir denn morgen losfahren. Er sagt um 8 Uhr ist Frühstück und um 9 Uhr geht es los. Er meint, dass morgen Früh nicht an den Motorrädern herumgeschraubt wird und ganz pünktlich Abfahrt sei. Na, da sind wir ja gespannt.

12. August 2008:
Bereits um 6 Uhr wachen wir auf. Draußen hupen schon die Autos, Busse und Lkws. Es war die ganze Nacht irgendwie Krach im Hotel und vor dem Hotel. Werner hat nachts mit Ohrenstöpseln geschlafen um überhaupt ein Auge zuzukriegen. Wir gehen frühstücken und ordern zwei Käseomelettes mit Buttertoast, Chai und heißes Wasser für Steffis mitgebrachten grünen Tee. Jeder bestellt was er möchte. Der Ober tut recht geschäftig und gescheit, aber er schreibt sich nicht auf wer was bestellt. Irgendwann schleppt er dann irgendwas aus der Küche und stellt es irgendwem auf den Tisch. Natürlich fehlt die Hälfte. Dafür kommen andere Sachen, die niemand bestellt hat. Die Leute melden, dass da noch etwas fehlt und das kommt dann im Laufe des Frühstücks doppelt und dreifach. Steffi bekommt etwas das Rick bestellt hat, ihr heißes Wasser kommt dafür gar nicht. Rick bestellt dreimal eine Flasche Wasser, verlässt aber am Ende des Frühstücks ohne Wasserflasche den Tisch. Alle sind froh dieses Frühstück überstanden zu haben. Wir ziehen unsere Motorradklamotten an und gehen nach draußen. Kaum sind wir da, sind die Motorradmechaniker wieder fest am Rumschrauben. Immer dann wenn wir losfahren möchten wird angefangen zu Basteln. Laut Max sollte es ja um 9 Uhr losgehen. Um 9 Uhr 15 werden die ersten Stimmen laut, was denn nun mit der Abfahrt sei. Wir beginnen wieder zu Schwitzen mit unseren Jacken und fangen an zu fluchen, weil es wieder nicht losgeht. Da erscheint noch ein Typ vom Hotel und meint Heinz und Christine hätten die Badematte geklaut und Max müsste die jetzt bezahlen. Die beiden erklären sie hätten die Badematte zum Trocknen im Bad aufgehängt und fordert den Typen auf noch mal genau nachzusehen. Der Typ will von Max das Geld und dieser antwortet er solle doch eine Rechnung an Asia Bike Tours senden, die würden das dann bezahlen. Lustig, lustig, trallala. Die Wolken verdunkeln bereits den Himmel, wir wollen los bevor es zu regnen beginnt. Wir rattern also los. Kaum sind wir 200 m gefahren, halten wir an einer überfüllten Tankstelle an. Die Jeeps, unsere Begleitfahrzeuge, müssen betankt werden. Na, das hätten die Jungs aber auch mal vorher machen können. Wir stehen also 15 Minuten in diesem stinkenden Dunst an der Tankstelle. Die Autos hupen, die Fahrer schimpfen, die einen wollen in die Tankstelle rein, die anderen aus der Tankstelle raus – weil sie bemerkt haben, dass diese Tankstelle überhaupt keinen Treibstoff mehr hat. My Baby-Baby balla-balla.

 

Wir machen uns auf den Weg auf der in der Karte als breite Bundesstraße eingezeichneten Straße. Laut Max können wir die ursprünglich geplante, schöne, kurvige Straße nicht benutzen, da es zuviel geregnet hat. Da diese Strecke zu gefährlich sei und am Ende gar die Allradjeeps stecken bleiben würden. Wir denken, er möchte sich die Tour so einfach wie möglich machen und hat meist keine Ahnung wovon er spricht. Leider ist die Bundesstraße auch mit Schlamm überschwemmt und der Verkehr auf dieser Strecke ist absolut chaotisch. Es sind hunderte von Autos, Bussen und Lkws unterwegs, die sich auf uralten Holzbrücken auf teils schlammiger, teils sandiger Straße drängeln. Wir versuchen als Gruppe zusammen zu bleiben. Der Gegenverkehr ist dicht, es kostet viel Nerven hier vorwärts zu kommen und nicht zu stürzen. In einem kleinen Nest geht die Straße steil nach oben. Der ältere Japaner versucht noch vor einem entgegen kommendem Bus eine Lücke zu finden. Dabei stirbt sein Motor ab. Das Motorrad steht steil auf schlammiger Piste – er kann nicht mehr vor oder zurück und ist nicht fähig sein Motorrad anzukicken. Er blockiert alles – riesen Chaos und Gehupe. Schließlich kommen wir an einem Tunnel an. Er ist voller Abgase, schlammig rutschig, mit tiefen Löchern und stockfinster. Nach dem Tunnel halten wir an um durchzuzählen ob alle da sind. Diese Chance nutzen die Mechaniker um gleich wieder um an den Motorrädern zu schrauben. Inzwischen palavert Max mit Mukesch. Sie haben wohl doch nicht die ideale Strecke für unsere heutige Etappe heraus gesucht. Auf der Strecke werden wir unser Tagesziel wohl nicht mehr erreichen. So beschließen sie umzukehren und die (ach so gefährliche) Strecke zu fahren. Also noch mal durch den Drecks-Tunnel. Wir fahren exakt dieselbe Strecke zurück über die wir uns die ganze Zeit gequält haben. Kurz vor 12 Uhr fahren wir erneut an unserem Hotel in Shimla vorbei an dem wir um 9 Uhr 30 gestartet sind. Werner ruft laut Scheisse! Hilft aber nix. An einer Abzweigung wartet die Gruppe bis alle beieinander sind. Jetzt wird die Straße etwas kleiner, dafür aber ohne Verkehr. Nach einigen Kilometern halten wir an einer Tankstelle um alle Fahrzeuge zu betanken. Beim Tanken wechselt Mukesch auf die Schnelle die vordere Motoraufhängung unseres Motorrads. Wir dampfen in unseren Regeklamotten vor uns hin. Es geht weiter. Die Strecke wird malerisch, kein Verkehr und kurvige, schön zu fahrende Strecke, ohne Schlaglöcher. Wir passieren Terrassenfelder durch subtropische Landschaft. An einem kleinen Wellblech-Café halten wir an. Die anderen möchten etwas futtern. Wir beschließen einen kleinen Spaziergang zu machen um wenigstens ein paar Aufnahmen zu machen. Während der Fahrt ist das nicht gut möglich. Nach ungefähr 45 Minuten sind wir zurück. Als wir ankommen herrscht große Aufbruchstimmung. Alle sind fertig angezogen als ein Lieferwagen vor dem Café anhält. Er hat Backwaren geladen: Nussschnecken, Sahnehörnchen und sonstiges süßes Zeug. Irgendjemand kauft eine Tüte von diesen Nusshörnchen. Sie sehen viel leckerer aus als sie schmecken. Sie sind bockelhart, aber alle würgen das Zeug runter. Steffi bekommt Sodbrennen auf das Zeug.

 

Auf der schmalen Straße geht es weiter. Ab und zu kommt ein Lkw entgegen. Das zwingt uns dazu den Belag neben dem Asphalt zu testen. Eine Kurve folgt der anderen. Es ist eine wunderschöne Strecke. Warum Max die nicht gleich ausgewählt hat bleibt uns schleierhaft. Wir müssen eine Brücke überqueren, die überschwemmt ist mit Regenwasser. Werner zieht die unter seiner Jacke hängende Kamera heraus und versucht Aufnahmen zu machen bis die Gruppe die Brücke überquert hat. Dabei überholen uns auch die beiden Versorgungsjeeps. Bis die Kamera verstaut ist und die nass-klammen Handschuhe wieder übergezogen sind, ist die Gruppe verschwunden. Nach der Brücke und einer kleinen Kurve geht es entweder links oder rechts. Wir haben keine Ahnung wo die hingefahren sind und wählen den rechten Weg. Die Straße schaut etwas breiter aus. Jetzt müssen wir etwas schneller fahren um die Gruppe einzuholen. Einige Male können wir sogar im vierten Gang fahren, d.h. schneller als 70 km/h. Niemand ist mehr zu sehen. Wir fahren ganz alleine in etwa 20 Kilometer. Über eine große Eisenbrücke geht es links nach Mandi, unserem Tagesziel. Wir sind froh alleine den richtigen Weg gefunden zu haben. Auf der anderen Fluss-Seite sehen wir das Ende der Gruppe fahren. Sie sind aber kaum einzuholen. Alle rasen dem jungen Mechaniker hinterher, der jetzt viel zu schnell voraus fährt. Da Werner eh keine Chance mehr hat die Gruppe einzuholen reduziert er die Geschwindigkeit und fährt in normalem Tempo weiter. Die Gruppe ist verschwunden und wir fahren lange Zeit alleine.

 

Plötzlich winkt einer links vor einem Restaurant. Werner muss stark auf der schlammigen Fahrbahn bremsen um dort noch rüber zu kommen. Wir fragen was los ist und hören, dass wir noch 15 km bis Mandi fahren müssen, aber die Mechaniker haben Hunger und möchten nun etwas essen. Werner platzt jetzt der Kragen: Erst fährt dieser junge Mechaniker mit 70 km/h durch die Dörfer, an über die Straße springenden Wasserbüffeln vorbei, so dass man nicht mehr hinterher kommt, nur um jetzt hier anzuhalten um sich den Wanst voll zu hauen. Werner sagt lautstark seine Meinung. Max überredet die Mechaniker jetzt weiter zu fahren und in Mandi etwas zu essen. Die Mechaniker sind jetzt sauer und fahren noch schneller als vorher. Werner macht das Spiel nicht mit und fährt in normalem Tempo weiter. Der jüngere Japaner hat auch keine Lust mehr zu rasen und fährt vor uns her. Die Gruppe fährt mit 70 bis 80 km/h durch die Dörfer, wir kommen nicht mehr hinterher. So macht uns das keinen Spaß, wir werden uns heute Abend beschweren. Nach einigen Kilometern stehen die beiden Japaner vor uns. Sie wissen nicht wie sie fahren müssen. Es geht nach links über eine Brücke oder geradeaus die Straße entlang. Da wir weit und breit keinen aus der Gruppe sehen, fahren wir geradeaus weiter. Nach etwa 1 ½ Kilometern überholt uns Mukesch. Er winkt, wir sollen umkehren. Aha, der richtige Weg wäre also der über die Brücke gewesen. Da dort niemand stand, konnten wir das ja nicht ahnen. An der Brücke warten wir noch auf Hanjörg und Max, die noch hinter uns sind. Max, unser Führer, weiß nicht mal wo sich das Hotel befindet. Mukesch fährt voraus, steil den Berg hoch, zum Hotel Munish. Dort angekommen beschließt Werner heute Abend mit der Gruppe klar zu machen mit welcher Geschwindigkeit gefahren wird, dass man aufeinander warten soll und er auch gerne ab und zu ein Foto schießen möchte. Wir gehen auf das Zimmer und duschen kalt, da es in Mandi recht dampfig-heiß ist. Im Speisesaal bestellen wir uns ein Bierchen und reden mit den anderen der Gruppe. Schnell merken wir, dass es heute keinem so richtig Spaß gemacht hat. Wir setzen uns zum Abendessen an einen großen Tisch. Man serviert uns ein leckeres Menü. Steffi futtert mindestens drei Teller – wo steckt sie das nur hin? Dazu hat sie sich ein very strong Beer bestellt. Die Flasche hat 8,25% und 650 ml, also fast so stark wie ein halber Liter Wein. Nach dem Essen stellen wir Max unverblümt zur Rede. Wir sind nicht zufrieden wie der heutige Tag insgesamt so ablief. Wir möchten nicht rasen, mehr Fotos machen und weder ein Kind überfahren, noch von einem Bus überrollt werden. Er gelobt Besserung. Mal sehen wie es morgen wird.

13. August 2008:
Heute geht es von Mandi nach Manali. Um 9 Uhr soll es losgehen. Ab 6 Uhr 30 sind die Mechaniker bereits am Schrauben. Hupen werden repariert und Kupplungszüge werden ausgewechselt. Es gibt leckeres Frühstück mit frisch gepresstem Apfelsaft aus der Umgebung und sogar Mangos. Wir bringen unser Gepäck zum Jeep, ziehen uns an und tatsächlich – heute klappt es etwas besser – um 9 Uhr 15 geht’s los. Erst den steilen Weg nach unten, durch Mandi durch, dann erneut über die Brücke und links ab Richtung Manali. Die Geschwindigkeit ist moderat. Kaum sind wir ein paar Kilometer gefahren wird für ein erstes Foto angehalten. Wir blicken über den Beas Fluss auf Reisterrassen. Auch Mais und Tabak wird angebaut. Über einige alte Brücken geht es weiter aufwärts. Der nächste Stopp ist an einem Staudamm an dem sehr imposant der Beas River unten heraus rauscht. Nach einiger Strecke beginnt es zu tröpfeln, erst leicht dann immer stärker. Steffi hat zum Glück bereits die Regenklamotten an. Werner fährt noch ein Stück, aber er kommt um die Regenklamotten nicht herum. Am Straßenrand liegt eine aufgedunsene, schon stinkende Kuh. Die Lkws, die des Nachts im engen Kullu Tal fahren, bremsen nicht für eine Kuh. Das fruchtbare Kullu Tal erstreckt sich, langsam von 1.200 m auf 3.900 m ansteigend, von Mandi über Manali, bis zum Rohtang-Paß. Im Süden ist das Tal sehr eng, denn der Beas Fluss schlängelt sich manchmal direkt unterhalb der schmalen Straße. Später weitet sich das Tal dann erheblich aus und erreicht eine Breite von 80 km. An den Hängen gedeihen Steinobst und Äpfel. Man kann sogar Reis- und Weizenfelder in dem niedrigeren Teil des Tales sehen, an den Hängen duftende Wälder, bis dann höher hinauf die schneebedeckten Bergspitzen alles überragen. Zur Mittagspause wollen wir ins Nagar-Fort, ungefähr 20 km vor Manali. Es geht von der großen Straße links ab, unter einer Brücke durch, auf einen kleinen Weg. Mukesch fährt voraus, ganz hinten fährt Max. Er sollte eigentlich das letzte Motorrad der Gruppe darstellen. Leider ist hinter ihm noch Hanjörg, der angehalten hat um seine Regenjacke anzuziehen. Max wartet nicht auf ihn an diesem Abzweig, sondern fährt einfach weiter. Wir bemerken davon nichts, da wir alle Mukesch hinterher fahren. Die Straße wird enger, ab und zu laufen Kühe über die Straße. Sobald uns ein Lkw entgegenkommt müssen wir links in den Acker fahren. Wir stellen mit den Motorrädern ein nicht ernst zu nehmendes Verkehrsmittel in Indien dar. Da es stärker regnet ist die Straße sehr matschig. In eine Kehre, die zum Nagar-Fort hoch geht, legt sich der ältere Japaner  auf die Waffel. Er kippt im Zeitlupentempo um, da er die Kehre zu steil angefahren ist und dazu noch den falschen Gang eingelegt hat. Er purzelt uns über sein Motorrad entgegen. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Der Sturzbügel des Motorrades ist verbogen, ebenso der Spiegel und der Kupplungshebel. Mukesch klopft an der Maschine ein paar Dinge zu Recht und danach geht’s auch schon wieder weiter.

 

Das Nagar-Fort liegt ganz oben auf einer Anhöhe und ist nur über steile Serpentinen zu erreichen. Als wir dort ankommen schüttet es aus allen Eimern. Alle sind Nass. Werners Unterhose ist patschnass. Nachdem es nun schon seit einigen Tagen stark regnet kriegen wir die Klamotten gar nicht mehr trocken. Steffi ist noch trocken eingepackt, aber sie kann sich mit den Regenklamotten fast nicht mehr bewegen. Im Nagar-Fort belagern wir das Restaurant mit seiner tollen Aussichtsterrasse. Wir machen es uns bequem und sauen die Sitzpolster mit unseren nassen Hosen schön ein. Jetzt erstmal einen heißen Chai. Dann wird Essen bestellt. Wir futtern ausgiebig fast 2 Stunden lang mit Weitblick ins Kullu Tal mit seinen grünen Anbauterrassen. Man fragt sich nun wo Hanjörg abgeblieben ist und wo wir ihn zuletzt gesehen haben. Mukesch fährt eine Stunde lang den Weg zurück, kann ihn aber auch nicht mehr finden. Klar, der ist an der großen Brücke geradeaus gefahren, da Max nicht auf ihn gewartet hat. Nach einer guten Stunde klingelt das Telefon von Max. Es ist Hanjörg. Er ist bereits in Manali im Hotel. Als wir das Nagar-Fort verlassen, schüttet es erneut aus allen Eimern. Die steile Straße ist rutschig-schlammig, jeder versucht so gut wie möglich runter zu kommen. In einem kleinen Nest läuft von links ein Hund auf unser Motorrad zu, so dass Werner nach rechts ausweichen muss. Von rechts läuft ein Typ mit geschlossenen Augen mit einem Handy telefonierend über die Straße, so dass Werner nach links ausweichen muss. Dort kommt ein Auto daher und es sind nur noch 5 m bis wir zusammenprallen. Werner steigt in die Bremsen und da es so richtig schön schmierig-schlammig ist, beginnen wir zu schleudern. Der Lenker geht erst links, dann rechts und beim dritten Schlenker hat Werner das Motorrad wieder unter Kontrolle. Huh, das war knapp! Das Adrenalin schießt ins Hirn und wir sind froh nicht auf die Schnauze gefallen zu sein.

 

Schließlich schaffen wir es bis Manali. Als wir das Hotel Mayflowers sehen, freuen wir uns sehr. Das Hotel hat einen etwas rustikaleren Stil, aber sehr gut für diese Gegend passend. Wir bekommen ein sauberes, großes Zimmer, mit einem separaten Raum für das Gepäck und großem Bad. Draußen schüttet es immer noch. Jetzt wissen wir was das heißt: Monsun Saison. Die Doppelzimmer verfügen über offene Kamine und unsere Nachbarn, die beiden Ösis, bestellen sich Holz für den Kamin. Christine und Steffi sind vom offenen Kamin gar nicht mehr wegzubringen. Die Männer hocken auf der Terrasse unter dem Dach und trinken den Whisky den Heinz von zu Hause mitgebracht hat. Besonders der ältere Japaner ist davon sehr angetan. Er liebt Whisky und seine Vorräte sind bereits aufgebraucht. Es regnet und regnet. Ob es morgen möglich sein wird den Rohtang-Paß zu fahren ist mehr als fraglich. Die Piste auf fast 4.000 m Höhe soll sehr verschlammt sein und so haben wir wohl keine Chance, das mit den Motorrädern zu schaffen. Zum Abendessen wechseln wir in den Speisesaal. Heute muss niemand selbst bestellen. Man hat bereits ein Überraschungsmenü für uns vorbereitet. Es gibt ausgezeichnete, frische Forellen aus dem Beas Fluss, dazu Pommes, Erbsen und gegrillte Tomaten. Als Nachspeise einen Pflaumengrieß Pudding mit süßer Soße, ausgezeichnet. Keiner von uns hätte erwartet in Indien so etwas zu bekommen. Max möchte morgen früh erst einen Tempel besichtigen und danach den Rohtang-Paß in Angriff nehmen. Alle sind erleichtert – hoffentlich klappt das auch. Gegen 23 Uhr gehen wir ins Bett. Werner wacht nachts ein paar Mal auf, da draußen der Regen heftig nieder prasselt. Um 6 Uhr 30 soll der Weckruf sein.

14. August 2008:
Nach dem Frühstück fotografieren wir im Hotelgarten exotische Blumen und Vögel. Hinter dem Hotel beginnt ein Nadelwald mit hohen, dicken Bäumen. Vor dem Hotel baut sich eine Gruppe Schlangenbeschwörer auf. Wir schauen uns die Sache näher an. Sie legen Werner und Martin ein paar Pythons um den Hals und Werner kriegt noch eine Kobra in einem Korb auf den Kopf gesetzt. Natürlich wollen sie am Ende dafür ein paar Rupien haben. Die Mechaniker sind, wie jeden Morgen, am Basteln. Jeder hat die Regenklamotten bereits an als es los geht. Am Ortsende von Manali fahren wir zum Tanken. Mukesch fährt zurück in den Ort. Er hat vergessen dort Ersatzteile mitzunehmen und holt diese jetzt. Für uns heißt das ein halbe Stunde warten. Wir glotzen die Berge hoch. Vor uns baut sich das mächtige Himalaja Gebirge auf. Bis zur Höhe von annähernd 4.000 m sieht man noch ganz gut, die 5.000er dahinter blitzen nur ab und zu zwischen den dichten Wolken hervor. Erst seit 1977 gestattet man Besuchern die Überquerung des Rohtang-Passes nach Keylong. Dann fährt die Gruppe los und die Schlammschlacht beginnt. Es gibt nur zwei Straßen in ganz Indien, die nach Ladakh führen. Eine, weiter westlich, führt über Srinagar nach Leh und diese, über Keylong, unserem heutigen Ziel. Dadurch müssen hier natürlich alle Fahrzeuge rauf. Schwerbeladene Lkws, Busse und Jeeps, alle graben sich mit ihren fetten Reifen in den Schlamm. Teilweise ist der Schlamm knietief. Wir müssen aufpassen, dass es uns nicht vom Motorrad schmeißt. Besonders in Kehren stauen sich die Fahrzeuge. Da es dort steiler wird und die Fahrzeuge keinen Schwung mehr haben graben sie sich dort schön ein. Steffi muss ein paar mal vom Motorrad runter, da es die Maschine durch den Schlamm nicht mehr packt. Irgendwie schaffen es alle auf 3.000 m zu kommen ohne sich auf die Nase zu legen. Im Café „Schwimmender Garten“ gibt einen heißen Chai. Die Freilufttoilette ist hinter den großen Felsen. Danach wollen wir auch noch die letzten 1.000 Höhenmeter erklimmen. Die Strecke ist sehr anspruchsvoll, Schlammpiste mit tiefen Furchen und ab und an 20 m lange Wasserpfützen. An der Seite geht es steil nach unten. Endlich sind wir auf der Passhöhe auf fast 4.000m angelangt. Dort ziehen dicke Nebelschaden umher. Es ist dunstig und regnet. Ein paar Yaks stehen hier oben rum, auf denen man sogar reiten könnte. Wir ziehen uns in einen Zeltverschlag zurück um wieder einmal das allseits beliebte indische Heißgetränk zu bestellen: Chai, was sonst? Alle sind triefend nass und haben sich verausgabt. Jeder sehnt sich schöneres Wetter herbei. Der Rohtang-Pass ist ein historisch und auch heute strategisch wichtiger Gebirgspass auf der Route von Manali nach Leh. Er befindet sich im Bundesstaat Himachal Pradesh und verbindet das Kullu-Tal im Süden mit demjenigen des Chandra, einem Quellfluss des Chenab, im Norden.

Der Pass erreicht eine Höhe von 3.978 Meter. Über ihn führt eine nur in den Sommermonaten befahrbare Straßenverbindung, der National Highway 21, der das nordwestindische Punjab mit den Berg- und Grenzregionen von Ladakh verbindet. Der Pass ist sowohl Wetter- als auch Kulturscheide, indem er die eher feuchten, Vom Monsun bestrichenen Regionen des Hügel- und Mittellands von den buddhistisch geprägten wüstenartigen Hoch- gebirgsregionen des Himalaja trennt. Der Pass wird in den Wintermonaten vollkommen gesperrt. Bis zur Öffnung im Juni vergehen meist vier bis sechs Wochen, in denen die im Sommer als Straßenbautrupps eingesetzten Arbeiter den Pass von den Schneemassen befreien. Nach der Passhöhe geht’s endlich runter. Es wird ein wenig trockener, aber ab und an tröpfelt es noch. Irgendwann kommen wir in einem kleinen Nest an. Wir gehen in eine „Kneipe“ und bestellen salzige Kekse um etwas in den Magen zu bekommen. Max fährt jetzt im Begleitfahrzeug mit. Ihm wurde es dort oben auf dem Pass zu kalt und so muss jetzt ein armes Mechanikerlein, in seiner dünnen Hose und ohne Handschuhe, sein Motorrad nach Keylong fahren. Wir werden von der örtlichen Verwaltung registriert und nach kurzer Pause geht’s weiter. So richtig können wir die Schönheit der Landschaft hier nicht genießen, weil wir dauernd aufpassen müssen nicht von der steilen Straße abzukommen. Unter uns schlängelt sich ein reißender Fluss und gleich neben der Straße geht es steil den Abhang hinunter, da heißt es vorsichtig fahren. In Kehren kommen wir an tosenden Wasserfällen vorbei, die den Weg noch schlammiger und rutschiger machen. Leider haben wir das Einflussgebiet des Monsuns noch nicht hinter uns. An einer Stelle überquert ein kleiner Fluss auf einer Breite von etwa 100 m die Straße. Dort müssen alle drüber.

 

Der jüngere Japaner hat nicht genügend Schwung und muss quer mitten im Fluss stehen bleiben. Er kommt nicht mehr vor und nicht zurück. Erst als Heinz und Hanjörg ihm zu Hilfe kommen, kann er sich aus seiner misslichen Lage befreien. Die Berge werden immer höher. Die 5.000er tragen imposante Gletscher. In diesem riesigen Gebirge kommen wir uns sehr klein vor. Zu Füßen der Berge haben die Menschen Terrassenfelder angelegt, die einen Kontrast zu den schneebedeckten Gipfeln darstellen. Steffi wundert sich, wie die Motorräder diese Strapazen aushalten. Teilweise sind die Rahmen an den Motorrädern schon angerostet und die Maschinen bestimmt mehr als 10 Jahre alt. Bestimmt mussten sie schon mehrfach den Rohtang-Paß bewältigen und fahren immer noch. Wir kommen am ersten Schild vorbei: Keylong 40 km. Na, da haben wir ja noch was vor uns. Wir haben uns ein wenig von der Gruppe abgesondert, weil wir anscheinend etwas mehr fotografieren möchten als die anderen. Außerdem sind uns die anderen zu schnell, sie beginnen schon wieder zu rasen, also lassen wir sie voraus fahren. Auf der gesamten Strecke kommt uns kein Fahrzeug mehr entgegen. Nach einigen Kilometern sind wir uns nicht mehr ganz sicher auf der richtigen Strecke zu sein. Inmitten wunderschöner Landschaft sitzen zwei Männer am Straßenrand, die wir fragen wie weit es noch nach Keylong sei. Einer antwortet: Noch 7 km. Es geht durch eine Schlucht, die Straße verengt sich und links geht es ein paar hundert Meter steil runter. Steffi mäkelt von hinten, Werner solle doch bitte weiter rechts fahren. Sie sieht sich schon in der Schlucht liegen und versucht von hinten mit ihrem Körper das Motorrad in Kurven nach rechts zu ziehen. Werner ermahnt sie: Das kann genau dazu führen, dass wir beide in der Schlucht landen. Sie soll bitte hinten ganz ruhig bleiben. In dem kleinen Nest Tandi treffen wir die anderen wieder. An einer Tankstelle tanken wir alle Maschinen auf. Kurz vor Keylong endet der Asphalt. Alle werden auf der schlammigen Piste erneut eingesaut.

 

Endlich kommen wir in Keylong an. Der Ort liegt in 3.200 m Höhe und ist die bedeutendste Stadt im Lahaul Tal. In Keylong stehen Busse und Lkws im Stau. Der Grund ist eine Engstelle in die von beiden Seiten eingefahren wurde, so dass keiner an dem anderen vorbei kommt, und nun möchte keiner auch nur einen Meter zurück fahren. Wir müssen eine Weile hier herum stehen und atmen die Dieselabgase ein, die uns von den Auspuffrohren direkt ins Gesicht blasen. Das führt dazu, dass alle aussehen wie die Negerlein. Irgendwie geht es dann doch weiter, am Rand entlang drängeln wir uns an der Schlange vorbei. In der Ortmitte von Keylong stellen wir die Motorräder an einem Platz ab. Jeder ist froh diese Etappe hinter sich zu haben. Sie stellt die erste Stufe des Himalajas dar – einige weitere werden noch folgen. Wir marschieren über den Platz zu unserem Hotel. Vor dem Hotel liegt ein Wasserschlauch den wir nutzen um uns den größten Schlamm von den Klamotten zu spritzen. Wir sind nun schon seit 4 Tagen im Monsun gefahren und eigentlich die ganze Zeit nass. Wir sehen ziemlich fertig aus und sind verfroren. Im Zimmer wollen wir nun so schnell wie möglich unsere nassen Klamotten los werden. Das Zimmer bietet keinen Luxus. Ein Doppelbett mit dicken, schweren Wollbettdecken und lediglich eine kalte Dusche. Jetzt wäre es schön unser Gepäck bald zu bekommen. Aber der Gepäckjeep ist nicht da. Auf Nachfragen sagt uns Max, dass der Gepäckjeep bei der örtlichen Polizeikontrolle nicht durch gekommen ist. Man vermutet, dass etwas geschmuggelt werden soll und deshalb muss unser Gepäck erst genau durchsucht werden – das kann dauern. Im Zimmer ist es kalt und ungemütlich. So beschließen wir uns in den (ebenfalls kalten) Speiseraum zu setzen und Chai zu trinken. Wir hocken ewig rum, nass bis auf die Unterhose. Erst nach zwei Stunden kommt der Gepäckjeep. Nachdem wir uns trockene Kleidung angezogen haben gehen wir auf den großen Dorfplatz. Dort findet heute Abend ein Musikfestival statt. Auf einer breiten Bühne tanzen und singen verschiedene Gruppen in ihren bunten Trachten zu lauter, schriller Musik. Irgendwann wird es Steffi ein wenig schwindelig und schlecht. Es war vielleicht doch zuviel Anstrengung die letzten Tage. Im Zimmer packen wir unsere Hüttenschlafsäcke aus, um nicht direkt in den kratzigen Wolldecken schlafen zu müssen.

15. August 2008:
Der nächste Morgen empfängt uns mit dicken, grauen Regenwolken. Heute bleiben wir zur Akklimatisation hier. Werner hat’s erwischt, er ist krank, hat Fieber und nimmt eine Grippetablette. Er möchte nur schlafen und bleibt liegen. Steffi stapft alleine zum Frühstücken nach unten. Von der Gruppe ist kaum jemand am Tisch, alle schlafen noch. Bei diesem Wetter will keiner das Bett verlassen. Steffi trifft sich um 10 Uhr mit Rick auf einen Erkundungsspaziergang durch Keylong. Rick sucht eine Taschenlampe, aber er findet nichts Vernünftiges, nur billig Kram.

Der Markt in Keylong ist recht bunt und geschäftig. Die Menschen scheinen Europäer gewohnt zu sein. Niemand bettelt um Geld. Es sind Massen von Menschen unterwegs. Auf dem Markt wird geschrien, gelacht und gekauft. Alles ist Ramsch. Man sieht, dass es Billigware aus China ist. Die Kinder wollen gerne fotografiert werden. Danach wollen sie auch gleich auf dem Display die Fotos sehen. Bei einem Freiluft-Metzger hängen tote Tiere unappetitlich am Haken. Am Straßenrand werden Maiskolben gegrillt und zum Verkauf angeboten. Der Menschenschlag ähnelt sehr den Nepalesen. Kein Wunder, gehörte es doch einst zu Nepal. Keylong ist umgeben von bis zu 5.700 m hohen, schneebedeckten Bergen. Steffi und Rick kehren nach zwei Stunden zum Hotel zurück, da Max angekündigt hat den Rest des Tages etwas geplant zu haben. Zurück im Hotel sitzt jedoch jeder gelangweilt herum. Max hat sich nichts einfallen lassen. Steffi bringt Christine mit in unser Zimmer. Sie hat ein paar fiebersenkende Tabletten dabei. Werner wacht kurz auf, nimmt eine Tablette und schläft gleich wieder ein. Steffi wäscht sich mit eiskaltem Wasser die Haare. Danach möchte sie noch mal zum Fotografieren das Hotel verlassen, doch es schüttet wieder. Steffi beschließt sich auszuruhen und legt sich auch ins Bett. Das ist wohl das Beste was man hier machen kann. Es gäbe zwar durchaus schöne Tempel hier zu sehen, aber bei diesem Wetter macht das keinen Spaß. Abends isst Werner ein Süppchen auf dem Zimmer. Den älteren Japaner hat es auch erwischt, er hat heute das Zimmer noch nicht verlassen. Die restliche Gruppe trifft sich zum Abendessen im Speissaal. Max sitzt gelangweilt rum, raucht,  trinkt Bier und schaut den anderen mit offenem Mund zu wie sie sich unterhalten. Er weiß leider überhaupt nichts zu erzählen über die Gegend hier. Aber bestimmt weiß er wie man sich einen Joint dreht. Steffi ruft noch Zuhause an. Auch in Deutschland regnet es, na dann ist's ja gut...